Fachartikel Teil 5:
Prozesskostenrechnung, prozessorientierte Kalkulation (Prozesskostenkalkulation) und Komplexität
Die Software für eine "Prozessorientierte Kalkulation" (POK)
Heute stelle ich die Software zur prozessorientierten Kalkulation (POK-Software) vor. Damit
können
- normale traditionelle Zuschlagskalkulationen
- prozessorientierte Kalkulationen in unterschiedlicher Ausprägung
- vollständige Prozesskostenkalkulationen und
- jede denkbare Form von Sonderkalkulationen
erstellt werden, um die Herstellkosten und Selbstkosten für Produkte zu ermitteln.
Darüber hinaus enthält diese SW einen Informationsmanager. Damit sind neben umfangreichen Prozess-
und Kostenanalysen auch Komplexitätsanalysen möglich.
Bisher stellte ich Ihnen in den ersten4 Teilen folgende Themen vor:
1. Teil: 2 Projekte (A und B), bei denen durch die Anwendung der PKR und POK, konkrete
Maßnahmen zur Komplexitätsreduzierung und Prozessoptimierung möglich waren.
2. Teil: Details bei der Ermittlung der Produkt-Herstellkosten durch die Anwendung der
POK und PKR im Vergleich zur traditionellen Zuschlagskalkulation.
3. Teil: Ermittlung der Produkt-Selbstkosten mit der POK unter Berücksichtigung der
Prozesskosten.
4. Teil: Analysen und Auswertungen:
Vergleich der Herstellkosten/Selbstkosten zwischen traditioneller
Zuschlagskalkulation und Prozessorientierter Kalkulation (POK).
Komplexitätsanalysen um z.B. die Kunden-/Produktbeziehungen darzustellen.
Prozessanalysen, um z. B.Inanspruchnahme der Prozesse nach Produkten,
Produktgruppen oder Produktfamilien darzustellen.
Historie zur POK-Software:
Die Entwicklung der POK-Software reicht bis zum Ende der 70er Jahre zurück. Damals arbeitete ich
als Kostenmanager in einem großen Unternehmen und war für Produktkalkulation,
Reverse-Engineering, Wertanalyse, Controlling und Beratung der
Produktentwicklung (kostengünstiges Design) verantwortlich.
Zu dieser Zeit entstand das Pflichtenheft für eine neue umfangreiche Kalkulationssoftware, die
dann 1980 auf einem Mainframe zum Einsatz kam. Einige Jahre später, mit dem
Trend zum PC, untersuchte ich erstmalig, ob eine Kalkulationssoftware mit
diesem Funktionsumfang auf PC ablauffähig ist. Dies war nicht der Fall – zu
langsam, zu wenig Festplattenkapazität.
Ende der 80er Jahre – ich war Geschäftsführer in einem Softwarehaus - griff ich dieses Thema wieder
auf. Wir entwickelten einen Kalkulationsmanager, der aufgrund der
Hardwarebeschränkungen – langsame PC und wenig Festplattenkapazität – für ca.
1.000 Teile, Baugruppen und Produkte die Herstellkosten nach traditioneller Zuschlagskalkulation
ermitteln konnte.
Aber erst Mitte der 90er Jahre – jetzt gab es Festplatten mit 5,25 Zoll mit 1 GB und ausreichend
schnellen PC (386), gelang der Durchbruch in der Realisierung. Ich erweiterte
den vorhandenen Kalkulationsmanager um die Funktionen für eine
prozessorientierte Kalkulation und ergänzte die POK-Software um einen
Informationsmanager, um Prozess- und Komplexitätsanalysen durchführen zu
können.
Diese POK-Software kam seitdem ausschließlich in Beratungsprojekten zum Einsatz,
mit dem Ziel Kostensenkungs- und Umsatzsteigerungspotentiale zu identifizieren.
Über zwei Projekte berichtete ich im ersten Teil meiner Artikelserie.
Funktionsumfang der POK-Software:
Wenn es darum geht,
für 1 Teil, 5.000, 50.000, 100.000 oder auch 500.000 Teile, Baugruppen und
verkaufsfähige Produkte die Herstellkosten und Selbstkosten mit der
Prozessorientierten Kalkulationsmethode und/oder traditionellen
Zuschlagskalkulation zu bewerten, dann ist dies mit EXCEL nicht mehr möglich
und auch der Begriff TOOL ist nicht mehr passend. Hier handelt es sich um eine
ausgewachsene Software.
Für die bisher in meinen Berichten angesprochenen Auswertungen benötigen wir folgende Module:
- Prozessmanager
- Kalkulationsmanager und
- Informationsmanager
1. Der Prozessmanager:
Für den Kalkulationsmanager brauchen wir die Prozesse und Prozesskostensätze (ca. 30 bis 60 Daten).
Aufgrund der geringen Datenmenge, die nicht permanenten Änderungen unterworfen ist, ist
keine enge Verzahnung zwischen Prozess- und Kalkulationsmanager notwendig.
Deshalb kann für den Prozessmanager eine EXCEL-Lösung oder ein am Markt erhältliches Tool verwendet werden.
1.1 Prozesskostenmanagement - bottom up Ansatz:
Wenn ein umfangreiches Prozessmanagement aufgebaut werden soll, dann brauchen wir
einen bottom up Ansatz, mit Tätigkeitsanalyse, Teilprozess- und
Hauptprozessbildung bis hin zur Festlegung der Prozesskostensätze. Dafür ist dann
ein Tool, wie z. B. der Prozessmanager von Horvath, die richtige Wahl.
1.2 Prozesskostenmanagement - top down Ansatz:
Wenn wir dagegen – wie z. B. in meinen Beratungsprojekten – das Ziel haben die Herstellkosten und
Selbstkosten, möglichst kurzfristig, mit der prozessorientierten Kalkulation
(POK) zu ermitteln, dann reicht auch ein top down Ansatz.
Dabei orientieren
wir uns an den, in den IT-Systemen des Unternehmens vorhandenen Prozessmengen
(Anzahl der Bestellungen, Wareneingänge, Fertigungsaufträge, Auslieferungen
usw.), identifizieren die Kostentreiber und ermitteln die Prozesskostensätze.
In Teil 2 meiner Berichte stellte ich dies unter „Vorgehen zur
Ermittlung der Prozesse und Prozesskosten“ bereits vor. Für dieses Vorgehen
reicht dann eine EXCEL-Lösung aus.
Später kann dann immer noch ein umfangreiches Prozessmanagement aufgebaut werden.
Der Prozessmanager liefert also die Prozesse und Prozesskostensätze für den Kalkulationsmanager.
2. Der Kalkulationsmanager:
Die in den Projekten eingesetzte von uns entwickelte POK-Software besteht in ihrem Kern
aus einer vollständigen Zuschlagskalkulation zur Ermittlung der
- Herstellkosten (HK) mit Material und Lohneinzelkosten, MGK, FGK und VGK
- Selbstkosten (SK) mit Herstellkosten und Kosten für FuE, Marketing, Vertrieb,
Service, Verwaltung, ….
Für das prozessorientierte Kalkulieren ist zusätzlich folgendes erforderlich:
- Prozesse und Prozesskostensätze (aus der Prozesskostenrechnung)
- GK-Zuschlagssätze zur Abdeckung der lmn-Kosten
- Prozessmengen: dazu gehören z.B. Bestell- und Liefermengen (Einkauf),
Fertigungsaufträge, Ein-/Auslagerungen, Kundenliefermengen usw.
- Regeln und Formeln zur Umlage der Prozesskostensätze
Mit dieser Software können
- normale traditionelle Zuschlagskalkulationen
- prozessorientierte Kalkulationen in unterschiedlicher Ausprägung
- vollständige Prozesskostenkalkulationen und
- jede denkbare Form von Sonderkalkulationen
erstellt werden.
Dies wird über die GK-Zuschlagssätze und Prozesskostensätze sowie Regeln und Formeln gesteuert.
2.1 Modul zur Verwaltung der Faktoren:
Mit diesem Modul werden im Wesentlichen folgende Daten verwaltet:
Für alle Kalkulationsmethoden brauchen wir:
- Mitarbeiter- und Maschinenkostenstundensätze
- Standorte, Kostenstellen und Arbeitsplätze
- Produktgruppen, Produktfamilien, usw.
Zusätzliche für die traditionelle Zuschlagskalkulation brauchen wir:
- Gemeinkosten-Zuschlagssätze (MGK, FGK, VGK, …) zur Beaufschlagung der Einzelkosten
- Gemeinkostenzuschlagssätze zur Ermittlung der Selbstkosten
Zusätzlich für die prozessorientierte Kalkulation (POK):
- Prozesse und Prozesskostensätze zur Ermittlung der Herstellkosten (HK)
- Prozesse und Prozesskostensätze zur Ermittlung der Selbstkosten (SK)
- Gemeinkosten-Zuschlagssätze (MGK, FGK, VGK, …) zur Beaufschlagung der Einzelkosten
mit den leistungsmengenneutralen (lmi) Kosten zur Ermittlung der Herstellkosten
- Gemeinkostenzuschlagssätze (FuE, Marketing, Vertrieb, Service, Verwaltung, …) zur
Beaufschlagung der Herstellkosten mit den leistungsmengenneutralen (lmn) Kosten
zur Ermittlung der Selbstkosten
- …
Der Aufbau dieser Daten ist Voraussetzung für einen Kalkulationslauf.
2.2 Modul zur Verwaltung der Grunddaten zum Kalkulieren:
Mit diesem Modul werden die so genannten Kalkulationsgrunddaten verwaltet. Dazu gehören:
- die Teilestammdaten mit Fertigungsplänen und –listen
- eine so genannte „Wertedatei“, in der z.B. die Einstandspreise der Kaufteile hinterlegt sind
- die Prozessmengen. Dazu gehören die Einkaufs-Bestellungen mit Bestellmengen,
Wareneingänge mit Liefermengen, Fertigungsaufträge mit Losgrößen, Kunden
Bestellungen mit Liefermengen, Ein-/Auslagerungen, …
Mit diesem Modul ist es möglich die Daten anzuzeigen, zu ändern und zusätzlich neu zu erfassen.
Z. B., um ein neues Teil schnell zu kalkulieren
Kalkuliert wird immer Top-Down. Das bedeutet, dass ein Produkt, Baugruppe
oder Teil von oben nach unten aufgelöst wird – bis zur niedrigsten Baustufe.
Dann werden die Kosten bottom up ermittelt und die Ergebnisse in eine temporäre
Datei geschrieben. Nach Fehlerbereinigung und Prüfung der Ergebnisse können diese „frei gegeben“ werden
und in die offizielle „Wertedatei“ des Unternehmens übertragen werden.
2.3 Modul zum Kalkulieren der Teile, Baugruppen und Produkte:
Das Kalkulationsmodul kann über alle Baustufen (Fertigungsstufen) die
Herstellkosten ermitteln. Dies wird vom Rohmaterial über Einzelteile zu
Unterbaugruppen, Baugruppen, Varianten bis zu verkaufsfähigen Produkten
durchgeführt. Somit sind auch die Kosten für hochkomplexe Produkte zu ermitteln.
Es ist möglich die Herstellkosten und Selbstkosten zu ermitteln für:
- ein Teil, eine Baugruppe, eine Variante, …
- ein Produkt, Produktgruppen, Produktlinien, Produktfamilien, …
Dies wird beim Start eines Kalkulationslaufes festgelegt.
Die in der offiziellen „Wertedatei“ gespeicherten Datensätze enthalten die Kosten der
Teile, Baugruppen und Produkte mit umfangreichen Kostenelementen. Dies sind
z.B. für die Herstellkosten der Produkte:
- Einstandspreise für Kaufteile
- Fertigungszeiten und Lohnkosten
- Material-GK
- Fertigungs-GK
- Verwaltungs-GK innerhalb der Herstellkosten
- Prozesse mit Prozesskosten und -mengen
- usw.
für die Selbstkosten der Produkte zusätzlich:
- Marketing-Kosten
- FuE-Kosten
- Vertriebs-Kosten
- Service-Kosten
- Verwaltungskosten außerhalb der Herstellkosten
- Prozesse mit Prozesskosten und –mengen
- erzielter Kundenpreis
- usw.
Als Ergebnis sind dann die Selbstkosten mit allen Kostenelementen sowie Kundenpreis den
Kunden-Liefer-Positionen zugerechnet. Das bedeutet, dass für jede
Kunden-Liefer-Position das Ergebnis vorliegt. Nach
Fehlerbereinigung und Prüfung der Ergebnisse können diese „frei gegeben“ werden
Mit diesen umfangreichen Daten sind dann weitere Auswertungen möglich.
Dafür ist dann der nachfolgend beschriebene Informations-Manager zuständig.
3. Der Informationsmanager:
Zusammenfassung:
Der Informationsmanager ist ein integriertes Modul der POK-Software.
Er greift zu auf die frei gegebenen Daten aus
- der offiziellen Wertedatei mit den Herstellkosten, und
- den bewerteten Kunden-Liefer-Positionen mit den Selbstkosten.
Wir erinnern uns,
dass die Ergebnisse aus den Kalkulationsläufen aus der traditionellen
Zuschlagskalkulation, der prozessorientierten Kalkulation, aus einer
Prozesskalkulation oder auch aus einer Sonderkalkulation stammen können. Die POK-Software
beherrscht alle Kalkulationsarten.
Auf Anforderung liefert er umfangreiche Daten mit z.B.
- Kostenvergleichen zwischen traditioneller Zuschlagskalkulation und
prozessorientierter Kalkulation (POK)
- ABC-Analysen nach Kosten oder Umsatz oder … für Produkte, Kunden, ….
- kombinierte Kunden-/Produkt ABC-Analysen
- Beziehungsanalysen die uns z.B. 1:1, 1:n oder n:1 Beziehungen zwischen Kunden und
Produkten aufzeigen. Z.B. sehen wir:
. ob A-Kunden, die A-Produkte kaufen auch unwirtschaftliche C-Produkte kaufen
. ob C-Kunden nur C-Produkte kaufen
. ob ein A-Kunde nur ein einziges Produkt kauft
. usw.
- Prozessanalysen, die uns die Inanspruchnahme der Prozesse innerhalb der
Herstellkosten und/oder Selbstkosten und die dazugehörigen Prozesskosten, vom
verkaufsfähigen Produkt bis auf Teileebene, aufzeigt.
- …
Die Ergebnisse stehen dann unter EXCEL für die Weiterverarbeitung/Controlling zur Verfügung.
Hier wurden ansatzweise die Auswertungen des Informationsmanagers beschrieben. Über Details zur betriebswirtschaftlichen
Anwendung berichtete ich bereits im 4. Teil meiner Berichte unter „Analysen und Auswertungen“ mit
- Kostenanalysen
- Komplexitätsanalysen und
- Auswirkungen auf Produktkosten, Prozesse, …
1. Die hier vorgestellte POK-Software, die von uns entwickelt wurde, ermöglicht es
für 1 Teil, 5.000, 50.000, 100.000 oder auch 500.000 Teile, Baugruppen und
verkaufsfähige Produkte die Herstellkosten und Selbstkosten zu ermitteln.
2. Die POK-Software beherrscht alle Kalkulationsarten. Die
- traditionelle Zuschlagskalkulation
- prozessorientierte Kalkulation (POK)
- Prozesskostenkalkulation sowie
- unterschiedlichste Sonderkalkulationen.
3. Der integrierte Informationsmanager ermöglicht umfangreiche Sonderauswertungen mit
Prozess-, Kosten- und Komplexitätsanalysen. Die Ergebnisse stehen dann unter
EXCEL für die Weiterverarbeitung/Controlling zur Verfügung.
Hermann Schlichting